Einführung
Studien zur Analyse der Einflussfaktoren auf die Leistung im Sportklettern zeigen konsistent, dass Training und körperliche Fähigkeiten die höchsten Prädiktoren sind (Baláš et al., 2012; Fryer et al., 2018; Laffaye et al., 2016; MacKenzie et al., 2020; Magiera et al., 2013; Mermier et al., 2000; Winkler et al., 2023). Leistungsstärkere Kletterer haben daher tendenziell stärkere Finger, eine bessere Ausdauer, mehr Schulter- und Oberkörperkraft und eine höhere anaerobe Fitness (für Übersichtenarbeiten siehe Langer et al., 2023a; Saul et al., 2019; Stien et al., 2022).
Die Einbeziehung von Krafttraining in das Klettertraining verbessert nachweislich die Kletterleistung und kletterspezifische Kraftfähigkeiten (für Übersichtsarbeiten siehe Langer et al., 2023b; Stien et al., 2023). Auch wenn nicht alle Effektgrößen/Interaktionseffekte signifikant waren, verbesserten die Trainingsgruppen in allen Studien ihre Kletterleistung und die Ergebnisse der Krafttests, während dies bei den Kontrollgruppen bzw. den Gruppen, die nur kletterten, meist nicht der Fall war.
Deloading ist eine Strategie, die im Kraftsport bzw. -training häufig angewandt wird, obwohl es nur wenige empirische Belege gibt, die die Auswirkungen auf nachfolgende Trainingszyklen untersuchen. In der Übersichtsarbeit von Rogerson et al. (2024) waren 65% der Athleten der Meinung, dass sie ohne Deloading mehr Fortschritte erzielen könnten.
Ziel dieser Studie war es daher zu untersuchen, ob eine einwöchige Deload-Physe in der Mitte eines neunwöchigen hochvolumigen Krafttrainingsprogramms die Schnellkraft, Maximalkraft, Kraftausdauer und die Hypertrophie im Vergleich zu einem kontinuierlichen Training ohne Deload beeinflusst.
Details zur Studie
Wer hat an der Studie teilgenommen?
Stichprobengröße und -charaktersitika
- 39 Studenten (29 Männer und 10 Frauen).
- Die Teilnehmer verfügten über mindestens ein Jahr Erfahrung im Krafttraining für die unteren Extremitäten und machten mindestens 3 Mal pro Woche Gewichtheben.
Wie wurde die Studie durchgeführt?
- Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt: eine Deload-Gruppe, die nach der vierten Woche des neunwöchigen Programms eine einwöchige Trainingspause einlegte, und eine traditionelle Trainingsgruppe, die während der gesamten neun Wochen durchgehend trainierte.
- In der Studie wurden mehrere Messungen durchgeführt, um die Auswirkungen der Deload-Phase im Vergleich zu dem durchgehenden Training bewerten
- Schnellkraft: Die Schnellkraft der unteren Extremitäten wurde mit dem Countermovement Jump (CMJ) Test gemessen.
- Maximalkraft: Die dynamische Maximalkraft wurde anhand des 1RM (Einerwiederholungsmaximum) im Smith-Squat gemessen. Die isometrische Kraft wurde durch die maximale willentliche isometrische Kontraktion (MVC) an einer Beinstreckmaschine gemessen.
- Ausdauer: Die muskuläre Ausdauer wurde anhand der Anzahl der Wiederholungen bewertet, die jeder Teilnehmer bei 60% seines 1RM in der Smith-Hocke absolvieren konnte.
- Hypertrophie: Die Querschnittsfläche der Muskeln rectus femoris und vastus lateralis (Oberschenkelmuskeln) wurde mit Hilfe von Ultraschall gemessen.
- Trainingsmotivation und Bereitschaft zum Training: Es wurde der Fragebogen „readyness-to-train questionnaire“ verwendet, mit dem Aspekte wie Müdigkeit, Muskelkater und die allgemeine Motivation bewertet werden können.
Wie sah das Trainingsprogramm aus?
- Die Deload-Gruppe machte in der fünften Woche eine komplette Pause vom Krafttraining, während die traditionelle Trainingsgruppe ohne Unterbrechung weitertrainierte.
- Beide Gruppen folgten einem Split-training (Ober- und Unterkörper), wobei jede Körperregion zweimal pro Woche trainiert wurde. Nur das Training der unteren Extremitäten wurde kontrolliert und zu Messzwecken verwendet.
- Alle Übungen wurden mit 5 Sätzen im Bereich von 8-12 Wiederholungen und 2 Minuten Pause zwischen den Sätzen durchgeführt. Zu den Übungen gehörten Smith-Hocke, Beinstrecker, Zehendrücken und Wadenheben.
- Das Training war so konzipiert, dass in jedem Satz bis zum Versagen trainiert wurde, wobei die Belastung schrittweise angepasst wurde, um den angestrebten Wiederholungsbereich während der gesamten Studie beizubehalten.
Schlussfolgerung und praktische Anwendung
Zentrale Schlussfolgerung
- Die Gruppe, die ohne die Deload-Woche trainierte, wies etwas höhere Zuwächse hinsichtlich der dynamischen und isometrischen Maximalkraft auf und hatte eine höhere Trainingsbereitschaft. Für die Schnellkraft, Kraftausdauer und Hypertrophie wurden keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen festgestellt.
- Daraus lässt sich schließen, dass Deload nicht als geplante Strategie angewendet werden sollte, sondern als adaptive Reaktion auf Trainingsfortschritt und Ermüdung.
- Während es übereinstimmende Evidenz dafür gibt, dass Schnellkraft, Maximalkraft und Kraftausdauer des Oberkörpers zu den höchsten Prädiktoren der Kletterleistung gehören (Baláš et al., 2012; Fryer et al., 2018; Laffaye et al., 2016; MacKenzie et al., 2020; Magiera et al., 2013; Mermier et al., 2000; Winkler et al., 2023), gibt es nur wenige Studien zur Relevanz der Kraftfähigkeiten der unteren Extremitäten für die Kletterleistung: España-Romero et al. (2009) und Giles et al. (2021) fanden weder kletterleistungsbezogene Unterschiede in der Sprungkraft noch eine Korrelation mit der Leistung im Leadklettern. Im Gegensatz dazu fanden Winkler et al. (2023), dass die Kraft der unteren Extremitäten einer der besten Prädiktoren für die Leistung beim Bouldern und Leadklettern ist. Brent et al. (2009) berichteten, dass eine kombinierte Messung von Flexibilität und Beinkraft stark mit der Leistung beim Bouldern und Leadklettern korrelierte.
Diese Studie fokussierte sich auf die unteren Extremitäten, um die Auswirkungen der Deload-Phase zu evaluieren, und angesichts der begrenzten Evidenz für die Bedeutung der Kraft der unteren Extremitäten für die Kletterleistung sind die Ergebnisse möglicherweise nicht direkt auf das Training für das Klettern übertragbar.
Daraus resultierende oder sekundäre Schlussfolgerungen
- Die Anwendung von Deload als adaptive Reaktion auf Trainingsfortschritt und Ermüdung macht es zwingend erforderlich, Variablen zu messen, die diese beiden Konstrukte repräsentieren.
- Um den Trainingsfortschritt beim Klettern zu beurteilen, wird empfohlen, evidenzbasierte Tests zu verwenden, die Kraft- und Kraftausdauerfähigkeiten bewerten (für Übersichten siehe Langer et al., 2023, und Stien et al., 2022).
- Für die Überwachung von Ermüdung und Erholung gibt es verschiedene Ansätze. Nach Halsen et al. (2014) können diese in Belastunngs- und Beanspruchungsparameter unterteilt werden.
- Das Monitoring der (externen) Belastung konzentriert sich auf die Messung von Kraftparametern.
- Die (interne) Beanspruchung kann mit Hilfe von Instrumenten wie Fragebögen zur Bewertung der wahrgenommenen Anstrengung, der Motivation, der Trainingsbereitschaft und der Schlafqualität sowie mit physiologischen Indikatoren wie der Herzfrequenzvariabilität gemessen werden.
Limitationen?
- Zukünftige Studien sollten verschiedene Deload-Strategien erforschen, wie z.B. ein reduziertes Volumen oder eine reduzierte Intensität anstelle eines vollständigen Trainingsstopps.
- Bei den Teilnehmern handelte es sich um Kraftsportler bzw. Gewichthebern. Zukünftige Forschungen sollten jedoch die Auswirkungen von Deload-Strategien bei kletterspezifischen Populationen untersuchen.
- Die Messungen wurden an den unteren Extremitäten vorgenommen und nicht an den oberen, die für das Klettern relevanter sind, was die direkte Übertragbarkeit der Ergebnisse schmälert.
Link zur Originalstudie
Coleman, M., Burke, R., Augustin, F., Piñero, A., Maldonado, J., Fisher, J. P., Israetel, M., Korakakis, P. A., Swinton, P., & Oberlin, D. (2024). Gaining more from doing less? The effects of a one-week deload period during supervised resistance training on muscular adaptations. PeerJ, 12, e16777.
Quellenangaben
Coleman, M., Burke, R., Augustin, F., Piñero, A., Maldonado, J., Fisher, J. P., Israetel, M., Korakakis, P. A., Swinton, P., & Oberlin, D. (2024). Gaining more from doing less? The effects of a one-week deload period during supervised resistance training on muscular adaptations. PeerJ, 12, e16777.
Baláš, J., Pecha, O., Martin, A. J., & Cochrane, D. (2012). Hand–arm strength and endurance as predictors of climbing performance. European Journal of Sport Science, 12, 16–25. https://doi.org/10.1080/17461391.2010.546431
Brent, S., Draper, N., Hodgson, C., & Blackwell, G. (2009). Entwicklung eines Instruments zur Leistungsbewertung für Kletterer. European Journal of Sport Science, 9, 159-167. https://doi.org/10.1080/17461390902741132
España-Romero, V., Ortega Porcel, F. B., Artero, E. G., Jiménez-Pavón, D., Gutiérrez Sainz, A., Castillo Garzón, M. J., & Ruiz, J. R. (2009). Die Kletterzeit bis zur Erschöpfung ist eine Determinante der Kletterleistung bei Sportkletterern auf hohem Niveau. European Journal of Applied Physiology, 107(5), 517-525. https://doi.org/10.1007/s00421-009-1155-x
Fryer, S. M., Giles, D., Palomino, I. G., de la O Puerta, A., & España-Romero, V. (2018). Hemodynamic and cardiorespiratory predictors of sport rock climbing performance. Journal of Strength and Conditioning Research, 32(12), 3534–3541.
Laffaye, G., Levernier, G., & Collin, J.-M. (2016). Determinant factors in climbing ability: Influence of strength, anthropometry, and neuromuscular fatigue. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 26(10), 1151–1159. https://doi.org/10.1111/sms.12558
Giles, D., Barnes, K., Taylor, N., Chidley, C., Chidley, J., Mitchell, J., Torr, O., Gibson-Smith, E., & España-Romero, V. (2021). Anthropometry and performance characteristics of recreational advanced to elite female rock climbers. Journal of Sports Sciences, 39(1), 48–56. https://doi.org/10.1080/02640414.2020.1804784
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Winkler, M., Künzell, S., & Augste, C. (2023). Competitive performance predictors in speed climbing, bouldering, and lead climbing. Journal of Sports Sciences, 41(8), 736-74